Herzerkrankungen Hunde

Herzerkrankungen der Hunde

In der tierärztlichen Sprechstunde ist etwa jeder 10. Hund ein „Herzpatient“.
Herzerkrankungen können in angeborene und erworbene Kardiopathien eingeteilt werden, wobei mit einem Anteil von ca. 95% die erworbenen Erkrankungen deutlich überwiegen.
Erworbene Herzerkrankungen
Erworbene Herzerkrankungen werden zumeist nach dem betroffenen Teil des Herzens eingeteilt, d.h. in Erkrankungen der Herzklappen, des Herzmuskels, des Endokards sowie des Perikards (Herzbeutel). Arhythmien (Herzrhythmusstörungen) treten zumeist zusammen mit einer Herzerkrankung auf. Die am häufigsten auftretenden Herzerkrankungen sind Erkrankungen der Herzklappen (Endokardiose, wie z.B. bei der Mitralisinsuffizienz) sowie die Dilatative Kardiomyopathie (DKMP/DCM).


Erkrankungen der Herzklappen
Veränderungen der Herzklappen beruhen zumeist auf der Degeneration einer der vier Herzklappen, wobei die chronische Form (Endokardiose) überwiegt. Akut-entzündliche Erkrankungen der Herzklappen (Endokarditis) sind selten und gehen immer mit einem hochgradig gestörten Allgemeinbefinden des Patienten einher. Bei der Endokardiose handelt es sich um eine degenerative Störung, die von subendokardialen Anteilen der Klappensegel ausgeht. Die Atrioventrikularklappen sind generell beteiligt, wobei die Mitralklappe fast immer erkrankt ist. Die Degeneration beider AV-Klappen oder der Trikuspidalklappe alleine ist weniger häufig. Erworbene Veränderungen der Aorten- und Pulmonarklappen sind Ausnahmefälle.

Abb. 1: Cavalier King Charles Spaniel mit „lautem Herznebengeräusch

Kleine Hunderassen wie Teckel, Pudel, Pekinesen, Yorkshire- und Westhighland Terrier sowie Spaniel sind prädisponiert. Der Cavalier King Charles Spaniel entwickelt die Erkrankung früher als andere Rassen. Die Folge der Mitralendokardiose ist die Schlussunfähigkeit der Mitralklappe und somit der Rückfluss eines unterschiedlich großen Blutvolumens aus der linken Kammer zurück in den linken Vorhof.

Abb 2: Echobefund des Cavalier King Charles Spaniels: Hochgradige Dilatation des linken Ventrikels sowie des linken Atriums infolge hochgradiger Mitralisinsuffizienz

Abb. 3: Echokardiographie M-Mode: Herzwandbewegungen bei hochgradiger linksventrikulärer und -atrialer Dilatation infolge Mitralisinsuffizienz

Video 1: Cavalier King Charles Spaniel mit hochgradiger Mitralisinsuffizienz

Bei der Auskultation ist das charakteristische „Klappengeräusch“ feststellbar. Dieser progressive Prozess, der durch verschiedene Mechanismen jahrelang vom Organismus kompensiert werden kann, führt im Laufe der Zeit in eine Stauungsinsuffizienz des Herzens. Klinisch äußert sich das in dem sogenannten „Herzhusten“, der die Folge eines kardial bedingten Lungenödems darstellt. Therapiert wird jedoch nicht „das Herzgeräusch“, sondern entsprechend der kardialen Situation kann der Herzmuskel unterstützt werden. Leider gibt es medikamentell keine Möglichkeit, die progressive Degeneration vorwiegend der Mitralklappe aufzuhalten. Prinzipiell ist die Mitralisinsuffizienz eine sehr „dankbare“ kardiale Erkrankung, die sich bis ins hohe Lebensalter gut medikamentell beeinflussen läßt. Voraussetzung hierfür sind jedoch regelmässige kardiologische Kontrolluntersuchungen, die die jeweilige Medikation überprüfen. Da es sich bei der Endokardiose um einen chronisch-progressiven Prozeß handelt, stellt jede Untersuchung nur eine Momentaufnahme der kardialen Situation dar.

Abb. 4: Cavalier King Charles Spaniel mit fortgeschrittener Mitralisinsuffizienz

Erkrankungen des Herzmuskels

Sekundäre, dilatative Kardiomyopathien treten beim Hund im Gegensatz zur primären, genetischen Dilatativen Kardiomyopathie, ebenfalls auf. Diese erworbenen Herzmuskelerkrankungen können sowohl infektiöser als auch nicht infektiöser Genese sein. Infektiös bedingte Kardiomyopathien sind die Folge einer Endo-Myo-Karditis. Das Erregerspektrum umfaßt Viren, Bakterien, Parasiten und Pilze. Allgemein bekannt ist das Auftreten einer Myokarditis im Zusammenhang mit fieberhaften Infekten. Gefürchtet ist eine Herzmuskelentzündung infolge eines Zeckenbefalls, wie z.B. bei der Borreliose oder der Ehrlichiose. Die häufigste Erkrankung des Herzmuskels bei Hunden ist die dilatative Kardiomyopathie (DKMP/DCM). Diese stellt eine primäre myokardiale Dysfunktion unklarer Genese dar. Sonografisch zeichnet sich die DCM durch eine Dilatation des linken und meist auch des rechten Herzens aus.
Prädispositionen scheinen in Zusammenhang mit Rasse, Familie oder Geschlecht zu bestehen. Eine hohe Prävalenz zeigen große Hunderassen wie Irish Wolfhound, Dobermann, Bernhardiner, Deutsche Dogge, Boxer, Setter etc. Beim Cocker Spaniel tritt die DCM ebenfalls gehäuft auf. Die DCM entwickelt zumeist früher wie die Endokardiose.


Abb. 5: Hochgradige Dilatation des linken Atriums und Ventrikels infolge DCM.


Abb. 6: Querschnitt des Patienten aus Abbildung 4: Hochgradige linksventrikuläre Dilatation


Abb. 7: Myokardinsuffizienz infolge DCM. Hinterwandbewegungen kaum meßbar.
Bei den nicht infektiös bedingten, sekundären dilatativen Kardiomyopathien stehen die Endokrinopathien im Vordergrund. Eine toxisch bedingte Kardiomyopathie ist als Nebenwirkung einer Doxorubicin-Therapie bekannt. Unter den Endokrinopathien sind beim Hund vorrangig an eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) sowie an den M.Cushing (Nebennierenrindenüberfunktion) zu denken. Die häufigste Erkrankung der Schilddrüse beim Hund ist die Hypothyreose. Immun-vermittelte Vorgänge führen zu einer Lymphozytären Thyreoiditis. Die Folge hiervon ist ein progredienter Verlust von Schilddrüsengewebe. Auch eine idiopathische Atrophie von Schilddrüsengewebe ist bekannt. Klinisch führt die Lymphozytäre Thyreoiditis zu einer Erniedrigung der Schilddrüsenhormone T3 und T4 Produktion. Dies bedingt einen kompensatorischen TSH-Anstieg. In der Frühphase der Erkrankung stimuliert dies die Hormonproduktion im verbliebenen, funktionell aktiven Schilddrüsengewebe und T3/T4 werden im Normbereich gehalten. (LABOR: TSH erhöht bei normalem T3/T4). Bei Fortschreiten der Erkrankung fallen T3/T4 kontinuierlich ab und klinische Symptome treten auf. Hunde aller Altersklassen können eine Hypothyreose entwickeln, wobei große Rassen wie Retriever, Dobermann, Setter, Collie, Bobtail und Beagle eine besondere Prädisposition haben. Worin besteht nun der Zusammenhang zwischen einer sekundären Kardiomyopathie und einer Hypothyreose? Ursache hierfür ist der multisystemische Charakter der Erkrankung. Die Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion sind vielfältig und ihr Schweregrad reicht von leicht bis sehr schwer. Fell- und Hautveränderungen, Apathie, Gewichtszunahme ohne übermäßige Futteraufnahme sowie kardiovaskuläre Symptome (Bradykardie) sind vorrangig zu nennen. Ein progredienter Abfall der peripheren Schilddrüsenhormone führt am Myokard zu einer reduzierten Kontraktilität sowie einer sekundären Dilatation infolge einer erhöhten Volumenbelastung. Häufig täuscht eine schwere Hypothyreose eine Herzinsuffizienz vor. Im Gegensatz zu einem Patienten mit einer dekompensierten Kardiomyopathie zeigt der hypothyreote Hund eine auffällige Bradykardie. In der Regel versucht der Organismus bei einer Herzinsuffizienz das fehlende, zirkulierende Blutvolumen über eine kompensatorische Herzfrequenzerhöhung auszugleichen.


Abb. 8: Irish Setter „Archie“: M-Mode, hypokontraktil bei einer HF von 58/Minute.

Aufgrund eines physiologischen Gesetzmäßigkeit nimmt bei einer niedrigen Herzfrequenz die Auswurfleistung – und somit die Kontraktilität – zu (Frank-Starling-Mechanismus). Lange Zeit blieb die Hypothyreose meines eigenen Setters aufgrund des diagnostischen Dilemmas der Schilddrüsenunterfunktion unerkannt. Nicht thyreoidale Erkrankungen sowie der Einfluß verschiedener Medikamente wurden für eine Erniedrigung der peripheren Schilddrüsenhormone in den Vordergrund gestellt ( Interaktionen mit verschiedenen Medikamenten wie z.B. NSAIDs, Herzmedikamente, etc.). Nach den Untersuchungen von Frau Professor REUSCH (DIAGNOSE UND THERAPIE DER HYPOTHYREOSE BEIM HUND, 8. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Veterinärdermatologie, 2005) bestehen bei der Messung sowohl von TSH als auch der peripheren Hormone viele Interaktionen. Die Folge sind sowohl falsch negative als auch falsch positive Laborwerte. Auch die Bestimmung von Thyreoglubulin-Antikörpern ist allein nicht aussagekräftig, da nur etwa 50% der Hunde mit Hypothyreose Thyreoglobulin-Antikörper bilden. Als „Goldenstandard“ in der Schilddrüsendiagnostik gilt nach wie vor der TSH-Stimulationstest, d.h. die Messung von T4 vor und 6 Stunden nach Applikation von TSH. Als normal gilt ein Anstieg um mindestens das Dreifache des Basalwertes. Alle darunter liegenden Stimulationswerte sind Indiz einer Hypothyreose. Die Durchführung war längere Zeit schwierig bis unmöglich aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von bovinem TSH. REUSCH et al. konnten jedoch in einer Reihe von Studien zeigen, daß der Einsatz von rekombinantem humanem TSH beim Hund ebenfalls sehr gut für die Schilddrüsendiagnostik geeignet ist.
Die Therapie einer Hypothyreose besteht in der Substitution von synthetischem T4 (Levothyroxin). Die Dosis sollte bei sehr alten Hunden, Hunden mit Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Leber- und Nierenfunktionsstörungen sehr langsam gesteigert werden. Prinzipiell muß die Dosis individuell angepaßt werden (NACHREINER et al., 1993). Inwieweit zusätzlich Herzmedikamente appliziert werden müssen, ist individuell verschieden und von den Ergebnissen der kardiologischen Untersuchung nach Beginn der Schilddrüsentherapie abhängig.

Herzinsuffizienz

Das Endstadium einer Herzerkrankung ist die Herzinsuffizienz. Diese ist durch eine inadäquate Pumpleistung sowie daraus resultierender unzureichender Sauerstoff- und Nährstoffversorgung charakterisiert. Eine kongestive Herzinsuffizienz ist gekennzeichnet durch Stauungserscheinungen, wie z.B. Ödembildung. Die Herzinsuffizienz kann akut oder chronisch sein. Bei Hunden mit akuter kardialer Dekompensation besteht häufig eine „Pumpschwäche“, klinisch oft mit einer prärenalen Urämie verbunden. Bei chronischer Insuffizienz gehen die klinischen Symptome meist mit Flüssigkeitsretention einher wie bei dem „Herzhusten“ vieler älterer Patienten mit fortgeschrittener Mitralisinsuffizienz.
Die Ursachen einer Herzinsuffizienz können entsprechend des jeweiligen Pathomechanismus eingeteilt werden:

>> „Vorwärts-Insuffizienz“ infolge inadäquater Pumpleistung (z.B.Dilatative Kardiomyopathie)
>> „Rückwärts-Insuffizienz“ – Volumenüberlastung (Mitralisinsuffizienz, Kardiale Shunts, z.B PDA).
>> „Diastolische Funktionsstörung“ – herabgesetzte Füllung (Hypertrophe Kardiomyopathie, Perikarditis)
>> „Drucküberlastung“ (Hypertonie – Bluthochdruck, Klappenstenose)

  • Klassifizierung der Herzinsuffizienz

Die Klassifikation der New York Heart Association (NYHA) basiert auf dem Auftreten klinischer Symptome bei Belastung und dem Ausmaß der Einschränkung der Belastungskapazität.
Klassen:
I     Klinisches Symptom
II    Klinische Symptome, wie Einschränkung der Leistungsfähigkeit, können evtl. bei starker körperlicher Belastung auftreten.
III   Hund fühlt sich im Ruhezustand wohl. Klinische Symptome, z.B. Müdigkeit, Husten, Dyspnoe) treen bei moderaten/üblichen Belastungen auf.
IV  Hund fühlt sich im Ruhezustand wohl, aber die Belastbarkeit ist minimal. Klinische Symptome treten schon bei minimaler Belastung oder Stress auf.

Fehlende Belastbarkeit. Klinische Insuffizienzzeichen treten bereits in der Ruhe auf.
Ein neues Klassifizierungsschema hat das International Small Animal Cardiac Health Council (ISACHC) eingeführt.
Dieses beruht auf der anatomischen Diagnose und dem Schweregrad der klinischen Symptome im Ruhezustand.

Klasse Klinisches Symptom

I      Asymptomatisch: Keine klinischen Symptome
IA   Anzeichen einer Herzerkrankung sind vorhanden, aber keine Zeichen einer Kompensation (Volumen oder Drucküberlastung, ventrikuläre Hypertrophie).
IB  Anzeichen einer Herzerkrankung sind vorhanden, zusammen mit röntgenologischen oder echokardiographischen Befunden einer Kompensation.
II  Leichte bis mittelschwere Herzinsuffizienz: Klinische Symptome einer Herzinsuffizienz sind im Ruhezustand oder bei leichter Belastung vorhanden und haben einen ungünstigen Einfluss auf die Lebensqualität.
III  Schwere Herzinsuffizienz: Klinische Symptome einer fortgeschrit-tenen Stauungsinsuffizienz (Dyspnoe, auffallender Aszites, schwere Belastungsintoleranz) fallen sofort auf.
IIIA  Ambulante Behandlung ist möglich.
IIIB  Hospitalisierung ist erforderlich.
Prinzipiell handelt es sich bei jeder Herzerkrankung um einen progressiven Prozeß, der immer über eine Herzinsuffizienz zum Tod führt. Herzerkrankungen sind nicht heilbar! Kardiologische Untersuchungen können jeweils nur Auskunft über den aktuellen Zustand geben. Eine Verbesserung der Lebensqualität trotz Herzerkrankung ist jedoch über eine adäquate Medikation entsprechend der kardialen Befunde möglich.

(Die in den Text eingefügten unbeschrifteten Fotos stammen von unseren eigenen Hunden und dienen der Illustration)